Interessiert man sich für Transilvanien, wird man auch zwangsläufig mit Vlad III. Drăculea, besser bekannt als Dracula, konfrontiert. Sei es die Burg Bran, die er wahrscheinlich niemals besucht hat oder die Grabplatte im Kloster Snagov, deren Inschrift abgerieben ist und die ein leeres Grab bedeckt. Bei diversen Führungen wurde ich schon auf die vermeintlich echte Grabplatte hingewiesen, so auch in Sighișoara (Schäßburg), was mir am glaubwürdigsten erscheint, da er dort vermutlich auch geboren wurde. Allerdings handelt es sich dort aber eher nur um ein in die Wand eingemauertes Relief.
Das eigentliche Problem mit Vlad Tepeș (Tepeș = der Pfähler) ist aber, dass er erst durch Bram Stoker zum Vampir gemacht wurde und auch kein Graf, sondern ein -> Woiwode war. Der Vampirismus scheint auch eher aus dem slawischen Raum zu stammen und hat erst Ende des 18. Jahrhunderts durch Stoker und im 19. Jahrhundert durch die Vielzahl der Dracula-Filme seine Faszination im Westen Europas erreicht. In Transilvanien selbst war Dracula bis zur Wende 1989 weitestgehend unbekannt.
Es gibt keinen Vampir in Rumänien!
Kein Grund zur Enttäuschung! Im Gegenteil, denn es gibt zahllose übernatürlich Wesen, die vampirähnliche Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen um den Menschen Furcht bis zur Todesangst einzuflössen. Denkt man sich in die Lebenswirklichkeit auf dem Land in Transilvanien zurück, bedenkt die oft einsame Lage der kleinen Bauernhäuser mit grossem Dachboden, einem kleinen Eingangsflur mit Speisekammer und einem einzigen Wohnraum, in dem geboren, gelebt und gleichzeitig auch gestorben und aufgebahrt wurde, lässt sich erahnen, wie der Glaube an diese Wesen entstand. Besonders die engen Wohnverhältnisse von Familien sorgte dafür, dass bei Ausbruch einer Epedemie diese dann auch oft fast komplett dahingerafft wurde. In dieser Situation und unter dem Einfluss der griechischen und slawischen Mythen spielte insbesondere der Tod und die Wiederkehr der Verstorbenen aus Rache oder schierer Eifersucht auf die Lebenden eine entscheidende Rolle für die rumänische Mythologie.
Teilweise ging die Angst soweit, dass Verstorbene entsprechend einem Ritus der Kirche nach 40 Tagen wieder ausgegraben wurden, um sich vom Verwesengsfortschritt der Leiche zu überzeugen oder gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Der Strigoi
Der Vorläufer des Vampirs war der wesentllich früher bekannte Strigoi (in der weiblichen Form die strigoica), der zwei Entwicklungsstadien besitzt. Zuerst ist er nur ein Geist, der im Körper des Begrabenen weiterlebt und das Grab nicht verlässt, aber die unheilvollen Gedanken des Verstorbenen an den Adressaten sendet. Wird er stärker, kann er als Licht oder in Form eines kleinen Tieres dem Grab entsteigen, um zuerst Essen oder Vieh zu stehlen und später Menschen gesundheitlich zu schaden – bis hin zum Tod. Da er physisch im Grab verbleibt, ist er ein sogenannter Nachzehrer. Er speist sich aus der vergrabenen Leiche, deren Kleider und dem Gestohlenen.
Hier bleibt zur Gegenwehr nur das Pfählen, das Zerteilen des toten Körpers, das Herausschneiden des Herzens, das dann verbrannt wird oder eine vollständige Einäscherung des Leichnams.
In seinem zweiten Stadium kehrt der Strigoi zu den Lebenden zurück und wird vom Nachzehrer zum Wiedergänger. Seine Seele nimmt seine frühere Gestalt an, materialisiert sozusagen. Dieser lebendige Mensch ist sich dessen aber nicht bewusst, dass sein Körper von einem Geist bewohnt wird und er eigentlich „nur“ ein Strigoi ist. Nur in der Andreasnacht vor dem Feiertag zu Ehren des Heiligen Andreas, der auch als der Herr der Wölfe bezeichnet wird, nimmt der Strigoi den menschlichen Körper voll in Besitz. Die Strigoi treffen sich dann auf Straßenkreuzungen und kämpfen die ganze Nacht mit dem meliță, einem Gerät zum Brechen und Kämmen von Flachs. Aus diesem Grund versteckt man auf dem Land den meliță auch vor Beginn der Andreasnacht. Der von einem Strigoi bewohnte Mensch erwacht am nächsten Morgen und kann sich an nichts erinnern.
In manchen Gegenden glaubt man auch an drei Treffen der Strigoi im Jahr: In der St. Andreas Nacht, der St. Georg Nacht und der St. Basil Nacht. Dabei können sie nur von den an einem Samstag Geborenen gesehen werden, wie sie auf Friedhöfen und in einsamen Hinterhöfen stehen.
Anfangs ist der Strigoi immer noch an sein Grab gebunden und muss dorthin zurück kehren. Im Laufe der Zeit (man nimmt an nach sieben Jahren) löst sich diese Bindung und er kann die Gegend verlassen. Diese ausgereiften Strigoi treffen sich dann alle sieben Tage in geheimen Treffen.
Als wirksame Waffe gegen Strigoi erweist sich Knoblauch, der an Fenstern und Türen aufgehangen wird. Auch kleine Zugänge zum Haus, wie etwa Schlüssellöcher werden damit eingerieben, um sich vor diesen Untoten zu schützen.
Der Strigoi ist identisch mit dem walachischen Moroi. Ethymologisch leitet sich das Wort von striga (rum. Hexe) und strix (lat. Kautz, eine Eulenart) ab.
Strigoi vii
Neben dieser Gattung Strigoi, die auch als strigoi morti (Untote) bezeichnet werden, gibt es noch die strigoi vii (lebende Strigoi). Dabei handelt es sich um Menschen, die dazu verdammt sind, nach ihrem Tod zu Strigoi morti zu werden. Die Ursache dafür ist die Zeugung durch einen strigoi morti und als Anzeichen dafür gelten körperilche Fehlbildungen des Neugeborenen, wie ein Steißbeinüberwuchs oder ein durch mangelnde Zurückbildung des embryonalen Schwanzes angedeuteter (Teufels-)Schwanz. Auch die caul zählen dazu, Teile der Fruchtblase am Neugeborenen angewachsen sind.
Der Vârcolac
Vârcolaci sind stets männlich. Bei uns ist diese Abart der Untoten als Werwolf und in Rumänien auch als Pricolici bekannt. Auch seine Wurzeln liegen wohl im Slawischen und zu einem Dasein als Werwolf ist jeder verurteilt, der in nicht geweihter Erde bestattet wird, einen unlauteren Lebenswandel hat oder von einem Tier gegessen hat, das von einem Werwolf gerissen wurde. Auch Kinder, die an Heilig Abend oder in der Osternacht gezeugt werden laufen Gefahr zu Werwölfen zu werden, da die Eltern damit gegen die religiösen Vorschriften verstossen haben. Im Gegensatz zum Strigoi, der sich erst nach dem Tod entwickelt, sind Vârcolaci bzw. Pricoloci Wesen, die den Körper des Menschn einfach übernehmen. In seiner menschlichen und dann harmlosen Körpergestalt während des Tages hat der Werwolf ein blasses, eingefallenes Gesicht, hohle Augen, aufgedunsene oder dicke Lippen und schlaffe Arme.
Sie lieben wie der klassische Vampir die Nacht, den Mond und haben an Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten Hochsaison. Dann ziehen sie umher und „fressen den Mond“, so dass es dann zu einer Mondfinsternis kommt. Dazu senden sie ihren Geist durch den Mund in Richtung Mond und bedecken ihn manchmal mit Blut. In dieser Zeit liegen sie im „Totenschlaf“ und wenn sie bewegt werden, so sterben sie, denn der Geist findet dann den Mund nicht mehr um zurück zu kehren. Manche glauben auch, dass der Vârcolac sich mit einem Faden an Menschen bindet, die sich um Mitternacht im Schlaf drehen. Wird dieser Faden zerrissen, stirbt der Vârcolac ebenfalls.
Der Vârcolac ist stets hungrig und braucht die Grausamkeit und das Blut seiner Opfer. Gerne klopfen sie daher des nachts an Haustüren und rufen dabei die Namen der Bewohner. Antwortet man nicht, so zieht der Vârcolac weiter ohne Unheil anzurichten. In einigen Gegenden Rumäniens reagieren die Bewohner eines Hauses daher erst beim zweiten Anklopfen.
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