Nordöstlich von Sibiu (dt. Hermannstadt) an der Landstraße nach Agnita (dt. Agneteln) liegt Nocrich (dt. Leschkirch), ein Dorf das heute von einer großen Anzahl Ţiganii bewohnt wird. Die Frauen tragen bunte, reich verzierte Röcke und Blusen, die mit Perlen und Pailletten bestickt sind. Die Männer zeigen sich mit dem typischen breitrandigen Hut und schwarzen Westen. Es ist auffallend sauber hier im Gegensatz zu vielen anderen Zigeunerdörfern. Die alten Traditionen des fahrenden Volks werden hier offensichtlich noch sehr hoch gehalten, auch wenn es hier sesshaft geworden ist.
Nocrich wurde im 12 Jdht. durch Auswanderer aus dem Rhein-Model-Gebiet, Luxemburg und Belgien besiedelt. Urkundlich erstmals erwähnt wurde „Nogrech“ im Jahr 1263 als Schenkung Stephans des Jüngeren an einen Sohn. Ein chronologischer Überblick über die Geschichte von Nocrich findet sich auf der Seite -> leschkirch.de.
Leschkirch ist auch heute noch ein bekannter Ort und berühmt dafür, dass dort am 26.07.1721 Samuel Freiherr von Brukenthal († 9. April 1803 in Hermannstadt) geboren wurde. Unter der K&K-Monarchie hatte er es als Regierungsbeamter in Wien im Jahr 1762 zum Provinzialkanzler gebracht und war von 1765 bis 1774 Leiter der Wiener Hofkanzlei. Danach wurde er als „Gouvaneur“ nach Hermannstadt entsandt.
Das -> Brukenthal-Museum in Sibiu sollte man unbedingt besuchen, wenn man in der Gegend ist. Auf sein Sommerschloss habe ich im Beitrag -> Kirchenburg und Sommerschloss in Avrig hingewiesen. Samuel von Brukenthal war übrigens Freimaurer…
In der Dorfmitte findet man die alte Wehrkirche, deren Verteidigungmauern längst eingefallen oder als Mauerbestand in umliegende Gebäude eingegangen sind. Von der ursprünglichen Wehranlage steht noch ein runder und ein großer quadratischer Verteidigungsturm.
Die Kirche selbst ist in einem recht guten Zustand. Auffallend sind die Fenster des Altarraums, die nicht ins Freie führen, sondern umbaut sind. Die Emporen lassen sich über eine Holzwendeltreppe von der Außenseite aus erreichen.
Leider ist die Orgel des Orgelbauers Samuel Joseph Maetz aus dem Jahr 1807 erheblich beschädigt und unspielbar. Sie wurde mehrmals restauriert und das Schild des vorletzten Restaurators Franz Resch (1898) prangt noch unter den zusammengedrückten Pfeifen. Der 1978 eingebaute Orgelventilator wurde zwischenzeitlich (Frühjahr 2022) wieder ausgebaut und für die Orgel in Niedereidisch zur Verfügung gestellt. Ungewöhnlich ist der aus Holz geschnitzte und bemalte „Vorhang“ auf der Empore, der ungewöhnlich realistisch gestaltet ist.
Die von Fuchs und Sohn aus Bernburg (Saale) produzierte Kirchturmuhr ist in einem ausgezeichneten Zustand und wurde zuletzt 2017 von der Uhrentechnik A.Vogler aus Dresden restauriert.
Neben der Kirche liegt das alte Pfarrhaus, in dem der Pfadfinder-Verein untergebracht ist. Hier bekommt man einen Schlüssel für die Kirche (Kontaktinformationen bei -> kirchenburgen.org). In einer Töpferwerkstatt werden dort sowohl einfache als auch sehr aufwändige Tonwaren in Handarbeit hergestellt, die man zu annehmbaren Preisen erwerben kann.
Die Kirche von Leschkirch ist nicht spektakulär und wird daher auch nur von wenigen Touristen besucht. Wenn man aber gerade durch Leschkirch fährt, lohnt sich ein Stop und für Fans von Kirchenburgen lohnt sich der Besuch auf jeden Fall.
2 Comments