
Auf der Strecke zwischen Blaji und Târnăveni liegen einige Kirchenburgen, darunter auch in Bălcaciu (dt. Bulkesch), die wir im September 2022 besucht haben. Die Links zu den Beiträgen werde ich jeweils nach der Fertigstellung hier hinzufügen:
Unsere Septembertour 2022: Kirchenburgen zwischen Blaji und Târnăveni
-> Die Kirchenburg von Bălcaciu (dt. Bulkesch)
-> Die Kirchenburg von Șona (dt. Schönau)
-> Jidvei (dt. Seiden) und seine Kirchenburg
-> Die Kirchenburg in Tătârlaua (dt. Taterloch)
-> Die Kirchenfestung von Ighișu Nou (Eibesdorf)
Weitere Links folgen, sobald die anderen Beiträge veröffentlicht werden.
Geführt wurden wir von -> Clarissa, einer sehr netten jungen Frau, deren Opa trotz seines beachtlichen Alters heute noch pünktlich die Glocken läutet. Clarissa spricht ausgezeichnet Deutsch, Englisch und natürlich Rumänisch.
Tipp für Camper: Auf der Grünfläche an der Strada Nicolae Iorga (parallel zur Strada Pacii unterhalb der Kirchenburg) kann man kostenlos übernachten. Auf der anderen Seite der Hauptstraße gibt es ein Magazin.
Die Kirchenburg
Da die Einwohnerzahl im 18 Jhdt. stark angewachsen war, wurde die ehemals einschiffige Kirche von 1807 bis 1810 zu einer dreischiffigen Kirche umgebaut, wobei der ehemalige Chor mit einbezogen wurde. Größere Renovierungen fanden 1933, 1964 und von 2005 bis 2010 statt. Zuletzt mussten Teile der eingestürzten Wehrmauern auf einem neuen Betonfundament mit Ziegelsteinen wieder aufgebaut werden.

Der Kirchturm mit Eingangshalle wurde erst von April 1855 bis August 1856 errichtet und er ersetzte damit den alten Turm auf der entgegengesetzten Seite. Um den darunter liegenden gotischen Chor bei der Erweiterung des Kirchenschiffs zu erhalten, wurde der alte Turm weitgehend abgetragen und ein Dach aufgesetzt. Eine Schanze des alten Kirchenturms blieb erhalten, die an der Außenseite aus Stein- und Ziegelmauerwerk besteht (siehe Titelbild).
Die Kirche wurde mit zwei konzentrisch angeordneten Ringmauern versehen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde eine erste eiförmige Ringmauer mit einem Torturm gebaut und anfangs des 16. Jahrhunderts wurde eine zweite äußere Ringmauer mit sechs Verteidigungstürmen errichtet. Die innere Ringmauer ist nicht mehr erhalten.
Der Bereich zwischen der inneren und äußeren Verteidigungsmauer war mit Vorratskammern für die Familien von Bălcaciu ausgestattet und die Türme waren mit Schutzwällen für Feuerwaffen versehen. Ein 25 m tiefer Brunnen, ein Brotbackofen, Mühlen, Reparaturwerkstätten und Nebengebäude für die Lagerung von Lebensmitteln sorgten dafür, dass auch langen Belagerungen widerstanden werden konnte.
In der neuen Eingangshalle ist noch ein alter Epitaphenstein zu finden, der ausgezeichnet erhalten ist.

Die Orgel von Bulkesch
Die klassizistische Orgel wurde 1820 von Samuel Joseph Maetz gebaut und ist noch recht gut spielbar. In -> Holzmengen (rum. Hosman) geboren, kaufte er im Jahre 1779 die Werkstatt des verstorbenen Orgelbauers Johann Georg Wachsmann in Birthälm (rum. Biertan) und begründete damit die bekannteste Orgelbauerfamilie Siebenbürgens. Maetz hatte in Deutschland, Österreich und Mähren, unter anderem auch bei Johann Andreas Stein in Augsburg gelernt.
Größere Änderungen bzw. Reparaturen wurden 1880 und 1906 durchgeführt. 1930 wurden die im ersten Weltkrieg requirierten Prospektpfeifen aus Zink wieder ersetzt.

Die Kirche ist insgesamt in einem hervorragenden Zustand und die nach Deutschland ausgewanderten Bulkescher treffen sich dort regelmäßig alle zwei Jahre.



Die Sitzordnung
Wir haben bei unserer diesjährigen Tour unsere Führer stets explizit nach der Sitzordnung beim Gottesdienst gefragt. Diese war überall geregelt und die Gruppen unterteilten sich in den Chor, verheiratete Männer, verheiratete Frauen und Witwen, unverheiratete Männer und unverheiratete Frauen. Die Plätze für den Chor erkennt man an den Kirchenbänken mit Rückenlehnen. Die meist schwieriger zugänglichen Emporen waren in der Regel mit den unverheirateten Männern besetzt. Die verheirateten Männer saßen immer ganz hinten und die unverheirateten Frauen immer vorn auf der linken und mancherorts auch auf der rechten Seite. Auf der gegenüberliegenden Seite saßen dann die verheirateten Frauen.
Die ehemalige Deutsche Schule in Bulkesch
Unterhalb der Kirche steht die ehemals Deutsche Schule, die aufgrund von Vandalismus inzwischen in einem bedauernswerten Zustand ist. Die meisten Kachelöfen in den Unterrichtsräumen wurden abgebrochen und das hochwertige und dicke Parkett der Fußböden teils herausgerissen.



Unterrichtsmaterial in Deutsch, Rumänisch und Aufzeichnungen der Lehrer sind überall verstreut. Trotzdem lässt sich aufgrund der Bauweise und der Großzügigkeit der Räume noch erahnen, dass die saşii transilvăneni (Siebenbürger Sachsen) nicht gerade arm waren. Viele unserer Führer haben uns auch darauf hingewiesen, dass der Verlust an Kultur, Lebensqualität und Arbeitsplätzen erst nach der Wende 1989 stattgefunden hat. Mit diesem Thema werde ich mich demnächst beschäftigen, da mir als Deutscher die rumänische Geschichte bisher immer völlig anders vermittelt wurde und mich diese einhellige Einschätzung sehr überrascht hat.
Fazit
Ein Besuch in Bulkesch lohnt sich auf jeden Fall.
