
Wenn Sie in Sibiu sind, lohnt sich ein Ausflug in das knapp 10 km weiter nördlich liegende Şura Mare. Sollten Sie einen halben Tag Zeit haben, liegt gleich nebenan die Kirchemburg von -> Hamba (Hahnbach) und einige Kilometer weiter nördlich die grandiose -> Stolzenburg.
Die Kirchenburg in Şura Mare liegt direkt an der Durchgangsstraße nach -> Mediaș. Für die Besichtigung sollten Sie unbedingt vorab einen Termin mit Herrn Hans Roth unter der Telefonnummer 0040 757 587 775 vereinbaren, denn Herr Roth bewirtschaftet trotz seines Alters von weit über 70 Jahren noch 15 ha Land und muss seine Zeit daher einteilen. Herr Roth spricht Deutsch und sie finden ihn einige Häuser von der Kirchenburg entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit der Hausnummer 256. Sollte der Termin nicht in seinen Arbeitsplan passen, hinterlegt er den Schlüssel beim Nachbarn.
Die Kirchenburg
Ursprünglich war die Kirchenburg in Şura Mare eine romanische Basilika wie die -> Kirchenburg in Hosman (Holzmengen) und wurde um 1238 erbaut. Ihre heutigen gotischen Elemente erhielt die Kirche nach Zerstörungen in den Türkenkriegen zum Ende des 15. Jhdts. Bemerkenswert an dieser Wehrkirche ist die prächtige Bemalung mit Ornamenten, die detailreichen Emporen, ihre Größe und die gotischen Netz- und Rippengewölbe.

Das erhöhte Dach über dem Chor ist der Verteidigung geschuldet. Der Chor wurde im 15 Jhdt. um zwei Wehrgeschosse erhöht und zusätzlich entstanden damals die beiden kleineren Türme neben dem Hauptturm.
Ein Grabsteinfragment
Gegen Ende des 14. Jhdts. war Albert von Scheuern ein führender Mann in der Hermannstädter Provinz. Er war Vater des einzigen Siebenbürger Sachsen, der jemals auf dem Weißenburger Bischofsstuhl gesessen ist. Dessen Bruder wiederum war Pfarrer in Großscheuern. Eine Volkskundlerin aus dem Ort nimmt an, dass sein Grabstein in die Altartreppe eingebaut wurde (Artikel in Die Woche Ausgabe 767 vom 27.08.1982) . Damit wäre dieses das Grabsteinfragment ein Teil des ältesten datierbaren Grabsteins eines Siebenbürger Sachsen.

Altar, Orgel und Taufstein
Vor einigen Jahren wurde der Altar durch einen Brand zerstört. Ob es eine Kerze oder die Jahrzehnte alte Elektrik war, wurde nie abschließend geklärt, aber das Gute daran war, dass der ursprüngliche Barockaltar aus der Mitte des 18. Jhdts. zurückgegeben wurde und nun die Kirche wieder schmückt. Er wird auf 1744 datiert, wir konnten aber keine Hinweise auf den Erbauer finden.
Die imposante Orgel wurde 1807 von Melchior Achxs gebaut und leidet unter starkem Holzwurmbefall. Sie ist im klassizistischen Stil reich verziert, besitzt 5 Felder und verfügt noch über die originalen Zinnpfeifen.

Ebenfalls reich verziert ist das Taufbecken, das 1758 in barockem Stil gefertigt wurde.

Der Kirchturm
Über rund 100 Stufen kommt man auf die Höhe der drei Glocken. Herr Roth hat für uns die große Glocke angeschlagen und die rechte kleinere Glocke kurz angeläutet, um uns vom ausgewogenen Klang zu überzeugen.

Seit dem Einbau eines Motorantriebs für die Kirchturmuhr funktioniert leider der Stundenschlag des Läutewerks nicht mehr. Es wurde dazu eigentlich nur der Aufzugsmechanismus durch einen Elektromotor ergänzt, so dass man nicht mehr alle drei Tage die Gewichte wieder hochziehen muss, um damit die Uhr aufzuziehen.

Die alte Gemeindehalle
In einer Seitenstraße gegenüber der Kirchenburg ist noch der Barockgiebel der früheren evangelischen Gemeindehalle zu sehen. Sie wurde nachdem immer mehr Siebenbürger Sachsen weggezogen waren (heute leben nur noch vier Siebenbürger in Şura Mare) für allerlei andere Aktivitäten genutzt, bis vor etlichen Jahren das Dach einstürzte und Ziegel und interne Bausubstanz für andere Zwecke verwendet wurde.

Über das Sterben
Im Seitenschiff der Kirche haben wir eine Totenbank gefunden, die mit der Jahreszahl 1970 versehen war. Herr Roth hat uns erklärt, dass die Siebenbürger Sachsen der Nachbarschaft, manchmal auch des ganzen Dorfes, den Toten dort aufgebahrt und betrauert haben. Im Gegensatz zu den Rumänen, die ihre Toten auch über Nacht bei Kerzenlicht betrauern und bewachen, wurde bei den Siebenbürger Sachsen dabei auch gegessen und getrunken. Wenn es dunkel war ging man nach Hause und kam erst am folgenden Morgen wieder.

Das Bewachen der Toten in der Nacht hat seinen Ursprung vermutlich in der im slawischen Raum weit verbreiteten Angst vor -> Wiedergängern.
Bevor es weiter geht nach Hamba (Hahnbach) hat Herr Roth noch die Verköstigung seines hervorragenden Weinbrands „de casa“, natürlich gereift im Holzfass, und eines außergewöhnlich guten Weins „de casa“ angeboten. Beides ist nicht zu erwerben, sondern ausschließlich seinen Gästen vorbehalten.
