Auf der Herrentoilette

Gender Toilette

In den letzten Jahren fällt mir immer wieder auf, dass sich das Verhalten der Männer auf der Herrentoilette ganz erheblich verändert hat. Stand man früher noch nebeneinander auf dem Wirtshaus-WC und führte nebenher das am Stammtisch begonnene Gespräch unterbrechungsfrei weiter, so herrscht heute auch im vollen WC völlige Stille. Wobei, voll ist es auf den Toiletten inzwischen eigentlich nicht mehr und ich habe schon erlebt, dass Männer nach einem erschreckten Blick in die Runde nur die Hände wuschen und später wieder kamen, wohl in der Hoffnung, nun alleine zu sein. Manche benutzen auch grundsätzlich eine der Kabinen oder gar die Behindertentoilette für das „kleine Geschäft“.

Kollegen

Ganz schlimm ist das im Berufsleben. Trifft man einen Kollegen auf der Toilette, dann ist das eiserne Schweigen fast peinlich und ein dann möglicherweise doch folgendes Gespräch wirkt immer gekünstelt und irgendwie zwanghaft. Da fühlen sich dann Frauen wie Mirijam Franke, eine freiberufliche Texterin und Autorin berufen, ihre Ansichten auch bezüglich Herrentoiletten kund zu tun, indem sie ungeschriebene Regeln für Herren aufstellt:

Sowohl am Pissoir als auch in den Kabinen wird nicht miteinander gesprochen.
So lautet die ungeschriebene Regel auf der Herrentoilette, völlig unabhängig davon, ob nun wirklich Ihr Chef neben Ihnen steht oder „nur“ der Kollege, ein Praktikant oder sogar Ihr bester Kumpel. Also lassen Sie Ihre Lippen versiegelt…

Quelle: https://arbeits-abc.de/klo-knigge/

Dass man sich dabei nicht zu Begrüßung auf die Schulter klopft ist ja wohl selbstverständlich, schaffen es gewisse Männer auch ohne jegliche Erschütterungen nicht, ihren Nachlass dort zu platzieren wo er hingehört. Auf unserer Etage gibt es auch so einen Spezialisten, der deswegen sein eigenes Pissoir von den Kollegen reserviert bekommen hat, vor dem immer eine kleine Pfütze steht. Bei Hunden nennt man das Markieren…

Zielvorrichtung
Zielvorrichtung

Eine halbwegs gute Kinderstube sollte eigentlich nicht nur für Zielsicherheit, sondern auch für einen angemessenen und zwanglosen Umgang auf der Herrentoilette ausreichend sein. Aber offensichtlich braucht man heute für alles und jedes Hilfsmittel und Ratgeber.

Von der Scham

Das Schamgefühl ist das Resultat der Bewusstwerdung, dass andere bemerken, wenn man gegen gesellschaftliche Werte oder Regeln verstößt oder verstoßen hat. Diese Werte und Regeln werden uns eingeimpft und z.B. im Falle der gerade neu erfundenen „Flugscham“ von Influencern genutzt, um unser Verhalten zu beeinflussen. Kulturell bedingt ist z.B. die Intimitätsscham, die zwar in allen Kulturen vorhanden, aber in der christlichen besonders ausgeprägt ist. Man denke hier z.B. an -> Nipplegate beim Super Bowl 2004 in den USA. Ich finde es dabei recht inkonsequent, dass die obszönen Bewegungen von Justin Timberlake als akzeptabel empfunden werden, die für eine Sekunde sichtbare Brust von Janet Jackson jedoch einen Skandal hervor rief.

Unter sich

Ich habe das Gefühl, dass die Männer in den letzten zwanzig Jahren, zumindest was das Verhalten auf der Herrentoilette betrifft, verklemmter geworden sind. Und je jünger sie sind, umso verklemmter kommen sie daher. Möglicherweise haben manche zu viele Pornos gesehen und leiden aufgrund der gut bestückten Darsteller an einem Verlust von Selbstwertgefühl. So eine Art männlicher Penisneid. Vielleicht ist es die Angst der Heteromänner, dass der Kollege schwul ist oder umgekehrt der Schwulen, dass der Typ neben ihnen hetero sein könnte.
Wobei: Wer hat schon so wenig Anstand und klotzt dem Nachbarn auf sein bestes Teil?

Gemeinschaftstoilette
Gemeinschaftstoiletten sind wieder im Kommen

Noch sind Männer auf der Herrentoilette unter sich und wer weiß, wie lange das noch so bleibt. Unisex- und All-68-Gender-Toiletten sind ja stramm auf dem Vormarsch. Möglicherweise steht ja irgendwann Frau Franke neben mir am Pissoir. Da wären meine Lippen dann auch ganz sicher versiegelt.

Meine persönliche Annahme ist, dass die zunehmende Scham auf der Herrentoilette eine Kompensation für die vor der Öffentlichkeit verborgen gelebten Schamlosigkeit ist, die mit -> Tutti Frutti (das ja niemand angeschaut hat) , der Fernsehwerbung für -> Telefonsex und den Shades-of-Grey-Anfängersets, Partnertausch, BDSM etc. im heimischen Schlafzimmer praktiziert wird. Unter den Jüngeren ist -> „Sexting“ recht beliebt – das Versenden von eigenen Nacktbildern an Internetbekanntschaften. Da gibt es also eine Menge zu kompensieren.

Hände waschen

Übrigens aus Gründen empfehle ich nicht nur das Händewaschen hinterher, sondern ganz besonders auch vorher! Und hinterher die Türklinken nicht mehr anfassen!

Buy Me a Coffee at ko-fi.com

You May Also Like

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Aus persönlichen Gründen...

... kann ich den Blog im Moment leider nicht wie gewohnt betreuen und Anfragen zeitnah beantworten. Lediglich die technische Funktionalität versuche ich aufrecht zu erhalten. Sollte es trotzdem was Neues hier geben, dann schreibe ich eine Info in die Telegram-Gruppe.


In der Telegram-Gruppe können Sie sich weiterhin mit anderen Lesern von Împuşcătura austauschen.

Zur Telegram-Gruppe