Anfang bis Mitte Dezember wird der Fleisch- und Wurstvorrat für das kommende Jahr zubereitet. Diese Zeit ist aufgrund der Außentemperaturen und dem Fehlen der lästigen Fliegen für eine Hausschlachtung prädestiniert. Dabei muss natürlich ein Schwein daran glauben, das in Transilvanien wenn irgend möglich aus der näheren Umgebung, von einem persönlich bekannten Züchter stammt und nicht sein ganzes Leben im Stall verbracht hat. Ein Bio-Schwein sozusagen, wobei Bio in Rumänien nicht bedeutet sich auf Zusagen auf einer Verpackung zu verlassen, sondern dass man möglichst viel über das Produkt und seine Herstellung bzw. Aufzucht selbst weiß. Im Idealfall wäre das also ein eigenhändig aufgezogenes Schwein.
Die Schweineschlachtung zuhause und insbesondere in Transilvanien ist jedoch nichts für zart besaitete Seelen und deshalb warne ich eben diese Leser vorsorglich vor den Bildern in diesem Beitrag, denn sie zeigen sehr detailliert das Vorgehen bei der Zerlegung eines Schweins.
Die traditionellen Schweinerassen, wie das -> Mangalica-Schwein*) sind in Rumänien inzwischen selten geworden, weil auch hier der Trend vor allem in in den Städten weg vom Speck und hin zum Schinken geht. Das Schwein, um das es hier geht, war ein -> Bazna-Schwein, das nur mäßig Fett ansetzt, was aber für die gewünschte Menge an -> Jumări und -> Slănină ausreichend war.
Ich war etwas spät dran und kam erst, als das getötete und ausgeblutete Schwein schon angeliefert worden war und der Metzger bereits mit dem Abbrennen des Fells zugange war. In Deutschland ist bei Hausschlachtungen das Brühen mit heißem Wasser üblich, manchmal auch der Einsatz von -> Kolophonium*), um dann mit einer Kratzglocke das Fell und die oberste Schicht der Haut zu entfernen.
Das Abbrennen ist wesentlich effizienter, allerdings braucht man dazu durchaus Geschick, denn das Schwein soll schließlich nicht gegart werden und trotzdem völlig borstenfrei und ohne Oberhaut sein.
Ist Fell und oberste Hautschicht verkohlt, wird das Schwein mit kaltem Wasser abgegossen und mit handwarmem Wasser und einer Handbürste mühsam und peinlich genau gesäubert.
Um das Schwein in Zerlegeposition bringen zu können, werden zunächst die Hinterfüße am Oberschenkelgelenk abgetrennt und mit einem sauberen Tuch abgedeckt, um Verschmutzungen beim anschließenden Drehen auf den Bauch zu vermeiden. Das Schwein liegt dann sicher, weil man durch zwei Schnitte unter den Vorderläufen eine Absicherung erreicht. Schnitte entlang der Wirbelsäule, über die Seiten des Halses und den Backen sind die ersten Vorbereitungen für das Zerlegen.
Zunächst werden die Speckschwarten am Rücken vorsichtig abgelöst. Die dickeren Stellen oben werden für -> Slănină verwendet, die dünneren vom Bauch werden zu -> Jumări verarbeitet, die auch ein klein wenig Fleisch haben dürfen. Damit die Produkte später hygienisch und lange haltbar sind, muss sehr bedacht und sauber gearbeitet werden.
Die Speckschwarte wird vom Fleisch gelöst Hier ist Geschick im Umgang mit dem Messer gefragt
Am Fleisch soll auch ein wenig Fett bleiben Die andere Seite wird gelöst
Jetzt können die Vorderkeulen gelöst werden und mit einem Schlagbeil werden die Rippenbögen von der Wirbelsäule getrennt.
Die Vorderläufe werden entfernt Mit dem Schlagbeil werden die Rippenbögen von der Wirbelsäule getrennt Das Kopffleisch wird für Toba verwendet
Der Kopf des Schweins wird für die traditionelle -> Tobă verwendet, die vor allem aus Kopffleisch, der Zunge und dem Herz besteht und eine gewisse Ähnlichkeit mit dem süddeutschen Preßsack hat. Halbiert und mit abgetrenntem Unterkiefer wird der Kopf solange gekocht, bis sich das Fleisch leicht von den Knochen lösen lässt. Die für Tobă notwendige Gelatine gewinnt man aus der Schwarte und anderen gelatinehaltigen Teilen des Schweins.
Das Unterkiefer wird abgetrennt … und der Kopf wird zum Auskochen gespalten Die gesamte Wirbelsäule lässt sich jetzt einfach entfernen
Nachdem die Wirbelsäule entfernt ist, kann man die Schweinehälften mit etwas Geschick auseinander klappen.
Das Entfernen der Eingeweide und inneren Organe braucht besonderes Geschick, da der Darm und die Galle nicht platzen dürfen. Ersteres wäre ein bakterielles und Zweiteres ein geschmackliches Problem. Der Dünndarm wird nach gründlichem Säubern in einer Essiglösung nochmals desinfiziert und bis zur Verwendung als Wurstdarm in kaltem klarem Wasser aufbewahrt, das regelmäßig jede Stunde zu wechseln ist.
Die Eingeweide werden vorsichtig entnommen Die Lunge und der Herzbeutel werden entfernt Der begehrte Schinken…
Das weiche Bauchfett wird zu grăsime de porc, also Schweineschmalz verarbeitet. Der Magen kann als Hülle für Tobă verwendet werden. Er liegt im rechten Bild der Galerie oben neben dem Eimer. Rippenstücke werden wie der Speck für Slănină in Salz eingelegt (mittleres Bild der folgenden Galerie) und nach einem Tag im kühlen Keller für zwei bis fünf Tage kalt geräuchert. Man macht das nach Gefühl abhängig von der Rauchentwicklung.
Unter dem eingesalzenen Speck sieht man auf dem mittleren Bild unten die minderwertigeren Teile, dann das Fleisch und Fett für die Cârnați de casă afumați, die Standard-Hauswurst in Rumänien, die Braten- und Schnitzelstücke und ganz unten der Speck für Schweineschmalz und Jumări. Ein Teil der vom Fett gereinigten Schwarte wird mit einer Zehe Knoblauch und Salz nebenher gegessen.
Nach erfolgter Zerlegung gibt es Mittagessen: Tocăniță de porc mit mamaliga.
Es bleiben noch die Rippenstücke und der Schweinebauch Beim Zerlegen wird schon mal vorsortiert Mittagessen mit der obligatorischen Mamaliga
In jeder Familie werden die traditionellen Wurstsorten nach eigenem Rezept zubereitet. Cârnați afumați besteht aus mit grober Scheibe durchgedrehtem Fleisch und Fettanteilen, viel Knoblauch, Salz, Pfeffer und Kümmel oder Paprika. Sehr lecker ist Pate cu ficat de porc, sozusagen die rumänische Leberwurst und Caltaboș, eine feste Streichwurst mit ausgelassenem Speck. Beides kann sowohl roh als auch kalt geräuchert gegessen werden.
Beim Aufspannen des Darms ist Fingerspitzengefühl gefragt Die Wurstmasse für Cârnați de casă afumați wird mit der Wurstkanone eingefüllt Jetzt noch räuchern und fertig sind die Cârnați afumați
Die Därme werden mit der „Wurstkanone“ gefüllt. Dazu wird der Darm auf die Tülle der Kanone aufgespannt, was nicht ohne Tücken ist. Bewährt hat sich dabei, den Darm zuvor aufzublasen, damit er nicht verdreht ist und beim Aufbringen auf der Tülle zuvor mit etwas Fett für eine bessere Gleitfähigkeit zu sorgen. Mit sachtem Druck wird der Darm gefüllt und mit einer Nadel immer wieder der Darm durchstochen, damit eventuell vorhandene Luft entweichen kann.
An Wurst fällt Cârnați afumați in großer Menge an, dann folgen in absteigender Menge Pate und Caltaboș und es gibt nur eine große Tobă mit knapp zwei Kilogramm.
Damit wäre der erste Tag nach zehn Stunden Arbeit geschafft!
*) Auf die deutsche Wikipedia verweise ich nur bei Themen, die nichts mit Politik, Gesundheit und Klima zu tun haben 😉
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