Eine orthodoxe Beerdigung in Siebenbürgen

Titelbild - Eine orthodoxe Beerdigung in Siebenbürgen

Vor einigen Wochen war ich bei den Trauerfeiern und der Beerdigung eines Nachbarn, den ich sehr lieb gewonnen hatte. Es war mir als Ausländer und Nicht-Orthodoxer eine große Ehre daran teil zu nehmen und mich angemessen von ein6em Freund verabschieden zu dürfen. Dabei durfte ich viele interessante Aspekte der Trauerbewältigung und den damit verknüpften Traditionen erfahren und ich möchte sowohl den Ablauf als auch Hintergründe und einige nicht mehr praktizierte Bräuche hier festhalten.

Vor zwei Jahren musste ich beim der Rückfahrt von einem Besuch der Klosterruinen von -> Cârța auf der Dorfstraße anhalten, weil ein großer Trauerzug in Richtung Friedhof zog, an dem offensichtlich das ganze Dorf teilnahm. Im Innenhof des traditionellen Hauses, von dem der Trauerzug gestartet war, standen unzählige, schön eingedeckte, lange Tische mit Essen und Getränken und die Menschen waren festlich in schwarz gekleidet. Allerdings sind die Abläufe in Stadt und Land und auch von Region zu Region sehr unterschiedlich. Obwohl der kirchliche Ritus recht genau festgelegt ist, so hat doch jede Gegend, wenn nicht sogar jedes Dorf andere traditionelle Bräuche, die manchmal mehr, manchmal weniger mit einfließen.

Die Totenwache

Der Verstorbene wurde entgegen der sonst hier üblichen ländlichen Tradition nicht in der Kirche aufgebahrt, sondern im nebenan liegenden Schulhaus, das auch als Totenkapelle verwendet wird. Einer Aufbahrung in der Kirche müssen hier üblicherweise auch die Kirchenvorsteher zustimmen, wenn keine Totenkapelle verfügbar ist und logistisch ist dieser Brauch eigentlich auch nur noch auf dem Land durchführbar.
Vor einem provisorischen Altar, auf dem beständig Kerzen brannten stand ein offener Sarg in schwarzem Klavierlack mit kunstvollen silbernen Griffen, darin der Verstorbene in seinem besten Anzug und auf seiner linken Seite lag neben den gefalteten Händen sein Hut. Alles wurde mit einem dünnen Voile mit kunstvoller Spitze an den Rändern abgedeckt und an den Seitenwänden hielten auf unbequemen Holzbänken überwiegend ältere Frauen die Totenwache. Verließ jemand den Raum, so ging er zum Sarg und legte seine Hand auf den Rand des Fußteils, um sich zu verabschieden, wer kam schlug vor dem Sarg zum Gruß das Kreuz.

Vor noch nicht allzu langer Zeit waren auch noch viele alte Bräuche lebendig, die ihren Ursprung in den heidnischen Traditionen hatten und die von der orthodoxen Kirche während der Diktatur mehr und mehr geschliffen wurden. Da die Aufbahrung früher oft Zuhause erfolgte, konnte man kirchlich nicht so gerne gesehene Traditionen eher leben als heute. So wurde den „klagenden Weibern“ und den stillen Männern Kuchen und Schnaps gereicht. Ein Krug mit Wasser stand am Fußende des Sarges und wurde zerschlagen, wenn der Tote mit dem Trauerzug das Haus verließ. Das Wasser sollte alle schlechten Gedanken und Wünsche binden und mit sich nehmen.
Im Haus wurden früher auch alle Spiegel mit schwarzen Tüchern verhängt und es wurden exakt drei Tage Totenwache gehalten, was inzwischen dem Terminplan des Preot angepasst wurde.

Friedhof in Rumänien
Friedhof in Rumänien

Die Totenfeier (sărăcustă) vor der Beerdigung

Die orthodoxe Totenfeier dauert wie alle orthodoxen Gottesdienste ihre Zeit und fand am Tag vor der Beerdigung am Sarg des Toten statt. Der Preot (Priester) predigt dabei vor allem zum Trost der Trauernden, da die orthodoxe Kirche ein Begräbnis bzw. das Sterben auch als eine Auferstehung in einer anderen, göttlichen Welt feiert. Umrahmt wurde das ganze von mehr oder weniger melodischen Choralgesängen des Priesters und zweier Zelebranten (Kirchenvorsteher). Viele Besucher standen oder saßen auch außerhalb der provisorischen Kapelle im Schulgebäude unter Bäumen im Schatten und unterhielten sich leise.
Zum Ende der Totenfeier bekam jeder Anwesende eine Tüte mit einem Colac (ein einfacher Hefekuchen), einer Flasche Bier und einem kunstvoll bestickten Handtuch. Das Tuch soll die Anwesenden immer an den Verstorbenen erinnern, wenn sie es verwenden. Früher war es anstelle des Bieres Wein und die Gaben wurden in Weidenkörben und nicht in Papiertüten getragen, denn

Es war wichtig, denn die Weide ist ein Trauerbaum, sie trauert um den Toten, und dann ist der Weidenkorb wie ein Sieb, wenn man ihn, so voll wie er ist mit guten Dingen, hoch hebt, heißt es, dass durch dieses Sieb alle bösen Taten weggesiebt werden.

Quelle: -> Asistentă pentru doliu în context intercultural şi interreligios – Vasile Grăjdian

Am Sarg wurden den Anwesenden kleine Gebäckstücke, einfacher Kuchen und Schnaps gereicht. Aber auch Coca-Cola, Fanta und Wasser haben hier inzwischen Einzug gehalten und waren vermutlich auch den erstunlich zahlreich erschienenen Jugendlichen aus dem Dorf geschuldet.

Der Colac wurde früher bei Beerdigungen mit einer brennenden Kerze in der Mitte dem Toten überreicht. Eigentlich wurde er aber nur über seinen Kopf gehalten und dann mit nach Hause genommen. Auch dieser Brauch wird aufgrund seiner heidnischen Herkunft von der orthodoxen Kirche nur noch in dieser abgeschwächten Form geduldet. Der Colac ist dem schwäbischen Zopf übrigens sehr ähnlich und schmeckt mit Butter und Marmelade hervorragend.

Jeder der den Raum verlässt, legt am Altar eine dünne Kerze auf dem Altar am Kopfende des Sarges nieder, die dem Toten den Weg ins Jenseits beleuchten soll und verabschiedet sich wieder mit dem Handauflegen auf das Fußende.

Dass die Totenfeier am Tag vor der Beerdigung gehalten wurde, war dem Umstand geschuldet, dass die Bestattung am Sonntag stattfand und der hiesige Gottesdienst von vielen Familien von außerhalb des Dorfes besucht wird. Beim Verlassen der Kirche wurde vor dem Portal wieder Wein, Schnaps und Wasser ausgeschenkt.

Oft wird in Siebenbürgen vor der Beerdigung noch das Totenmahl (pomana) zelebriert und früher wurde auch ein Totenlied für den Verstorbenen von den alten Frauen im Dorf verfasst und gesungen. Auch das ist von der orthodoxen Kirche in der Regel sehr ungern gesehen.

Grab in Rumänien
Grab in Rumänien

Die Beerdigung (înmormântarea)

Da die eigentliche Totenfeier schon am Tag zuvor stattgefunden hatte, dauerte die Zeremonie der letzten Segnung mit einer Stunde relativ kurz. Für die Angehörigen ist sie aber der wohl schmerzlichste Moment, weil nach dem Segen der Sarg verschlossen wird. Üblicherweise wird der Sarg in einem Trauerzug auf den Friedhof getragen. Voran schreitet der Preot mit den liturgischen Fahnen, es folgen die Sargträger und die nahen Verwandten und Nachbarn mit den Gestecken, die aus Tannenzweigen auf Weidenästen in Schildform geflochten werden und mit Blumen und Schleifen verziert sind. Dahinter folgt die Dorfgemeinschaft.

Zu meiner Überraschung sprach der Preot am Grab nur einige wenige Sätze, der Sarg wurde rasch ins Grab gelassen und ein Stoffbeutel, der dem Verstorbenen lieb gewonnene Gegenstände enthielt, wurde ins Grab geworfen. Alle Anwesenden blieben am Grab, bis es komplett zugeschüttet war, wobei etliche Männer aus der Trauergemeinde mit halfen. Mit dem Ablegen der Trauergestecke war die Beerdigung beendet.

Die Trauerzeit nach der Beerdigung

Mit der Beerdigung beginnt hier eine lange Trauerzeit, die vielerorts auch von allen Verwandten, Nachbarn und Freunden eingehalten wird. War es früher üblich, dass sofort nach der Beerdigung der Haussegen erfolgte, um die neue Ordnung im Haus ohne den Verstorbenen zu verfestigen, scheint das heute nur noch selten der Fall zu sein. Allerdings gehören zu den Traueraufgaben des hinterbliebenen Ehepartners immer noch 40 Tage lang bei Sonnenaufgang und -untergang an das Grab zu gehen und dort eine Kerze anzuzünden und Weihrauch zu verbrennen. Das ist einem ebenfalls alten Brauch geschuldet, der besagt, dass der Übergang aus dem irdischen Leben in das Himmelreich 40 Tage dauert. In dieser Zeit ist der Geist des Toten immer noch dem Haus und der Grabstätte verhaftet und erst danach ist der Wechsel ins Jenseits mit einem Totengottesdienst vollzogen.

Am Tag nach der Beerdigung lädt der hinterbliebene Ehegatte fünf Nachbarn zu einem abendlichen Essen ein. War der Verstorbene ein Mann, dann werden fünf Männer eingeladen, war es eine Frau, werden fünf Frauen eingeladen. Dabei wird natürlich wieder Wein und Schnaps ausgeschenkt, allein es ist verboten den üblichen Trinkspruch noroc (Glück) auszusprechen.

Nach altem und nicht mehr gepflegtem Brauch rasierten sich die Männer im Dorf 40 Tage nicht die Bärte und es wird Schwarz getragen. Auch etwas absonderlich Dinge, wie das Überreichen eines schwarzen Hahns an die Totengräber, das Einlegen von Münzen in den Mund oder den Sarg, um den Zoll für den Übertritt zu bezahlen werden heute allgemein abgelehnt.

Nach sechs Monaten wird ein Gedenkgottesdienst stattfinden, ebenso nach einem Jahr und nach sieben Jahren.

Gräber in Rumänien
Gräber in Rumänien

Mein persönlicher Eindruck

Ich war durch den Tod sehr betroffen und glaube, dass die rituelle Gestaltung der Trauerzeit den Angehörigen eine große Hilfe ist, sofern sie gläubig sind. Auch die große Anteilnahme, der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft und die überall großzügig angebotene Hilfe und Unterstützung für die Hinterbliebenen sind sichere Zeichen eines funktionierenden sozialen Systems, das mich immer wieder sehr beeindruckt. Und so gilt als weitere Hilfe für die Zurückgebliebenen das rumänische Sprichwort

Im Garten der Zeit wächst die Blume des Trostes.

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