Ein subjektiver Blick auf Corona in Rumänien

COVID - die Welt hat Sauerstoffmangel

Ich möchte mit diesem Beitrag meinen Eindruck über die Berichterstattung, die Impfung und die Akzeptanz der Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise geben. Offizielle und detaillierte Informationen findet man beim -> Auswärtigen Amt und vom ->  rumänischen Nationalinstitut für Öffentliche Gesundheit.

Bildquelle Titelbild: Tim Reckmann  / pixelio.de

Verglichen mit der Situation in Deutschland gehen die Rumänen als Volk wesentlich entspannter mit der Corona-P(l)andemie um. Zwar wurden Weihnachtsmärkte abgesagt und es finden Sportereignisse in leeren Arenen statt, aber die Geschäfte sind geöffnet und lediglich dort und in öffentlichen Gebäuden sind normale Masken verpflichtend. Zur Zeit gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr und Läden und Restaurants müssen um 21:00 Uhr schließen. Agrar- und Lebensmittelmärkte in Hallen und geschlossenen Räumen müssen ebenfalls geschlossen bleiben.


Corona in den Medien

Die täglichen Infektionsmeldungen erscheinen mir hier in den Print- und Online-Medien wesentlich aufrichtiger als in Deutschland. So wurde für den 28. Januar 2021 berichtet:

2.737 Menschen wurden in Rumänien in den letzten 24 Stunden bei 32.000 Tests mit Coronavirus bestätigt.

In Rumänien wurden seit Ausbruch der Pandemie 724.250 Fälle von Menschen bestätigt, die mit dem neuen Coronavirus (COVID – 19) infiziert sind. 669.175 Patienten wurden für geheilt erklärt. Bis heute sind 18.196 Menschen mit SARS–CoV–2 Infektionen gestorben.

Zwischen 28.01.2021 (10:00) – 29.01.2021 (10:00) wurden 91 Todesfälle (51 Männer und 40 Frauen) von Patienten gemeldet. Davon wurden
4 Todesfälle in der Altersgruppe 30-39 Jahre,
1 Todesfall in der Altersgruppe 40-49 Jahre,
6 Todesfälle in der Altersgruppe 50-59 Jahre,
21 Todesfälle in der Altersgruppe 60-69 Jahre,
34 Todesfälle in der Altersgruppe 70-79 und
25 Todesfälle in der Altersgruppe über 80 Jahre registriert.

90 der erfassten Todesfälle stammen von Patienten mit Komorbiditäten, und ein verstorbener Patient hatte keine Komorbiditäten.

Bis heute wurden 5.405.393 RT-PCR und 108.248 schnelle antigene Tests landesweit verarbeitet.

Quelle: -> DIGI24

Man hängt hier zwar auch dem Glauben an, dass ein positiver Test eine Aussage über eine Infektion ermöglicht. Trotzdem kann man sich mit diesen Zahlenangaben einen relativ guten Überblick über die Krankheit verschaffen. Man beachte insbesondere die Formulierung im zweiten Absatz des obigen Zitats, dass die Menschen „mit“ und nicht an SARS–CoV–2 verstorben sind.

Allerdings drehen sich auch im rumänischen Fernsehen die Nachrichten und Diskussionsrunden hauptsächlich um die P(l)andemie, wobei so gut wie keine Kritik an den Einschränkungen geübt wird. Das mag auch daran liegen, dass das rumänische Gesundheitssystem schnell an seine Grenzen kommt bzw. bereits an seinen Grenzen war und ist. Verglichen mit Deutschland ist das staatliche Gesundheitssystem hier völlig marode und leidet an Fachkräftemangel, da viele rumänische Ärzte lieber in England und Deutschland arbeiten.


Corona, Staatshaushalt und Wirtschaft

Laut dem IWF hat Rumänien nur 2,7% des BIP für Corona-Staatshilfen an die Wirtschaft geleistet. Grund dafür dürfte der vergleichsweise geringe Staatshaushalt im Verhältnis zum rumänischen BIP sein. Im 1. Halbjahr 2020 fiel der BIP-Rückgang mit 4,5 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode milder aus als zuvor mit 10 Prozent erwartet. Für das gesamte Jahr 2020 werden es 5,2% erwartet. Die Staatsverschuldung stieg aber allein im Zeitraum von Januar bis August 2020 um 76,6 Milliarden Lei (15,7 Milliarden Euro) auf 450 Milliarden Lei (92,4 Milliarden Euro).

In einer repräsentativen Umfrage gaben 57 % der Unternehmen an, dass die Epidemie ihre Geschäftsentwicklung behindert, wichtige Prozesse seien jedoch nicht betroffen. 17% gaben an, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 wichtige Geschäfts-/Produktionsprozesse blockierten und 9% gaben an, dass die Auswirkungen erheblich seien. Nur 17 % gaben an, dass die Epidemie ihr Geschäft vorerst nicht beeinträchtige.


Impfen

Impfung
Bildquelle Titelbild: Tim Reckmann  / pixelio.de

Laut -> Statista ist Rumänien an letzter Stelle in der EU, wenn man die Zahl Impfungen der Jahre 2014 bis 2019 (Stand April 2019) vergleicht. In diesem Zeitraum wurden in Rumänien nur 17% der Einwohner gegen irgendetwas geimpft. Die Medien überschlagen sich daher seit Anfang des Jahres mit Erfolgsmeldungen zum Thema COVID-Impfung. Am 26. Januar meldete DIGI24, dass die meisten Impfzentren ausgebucht seien und -> Adevarul berichtet, dass „Rumänien das dritte Land in Europa sein wird, das das Impfziel von 70 % für COVID-19 bei der erwachsenen Bevölkerung erreicht, wenn die derzeitige Impfrate beibehalten wird. Unter den EU-Mitgliedstaaten wäre Rumänien das zweite Land, das eine Immunisierung gegen COVID-19 durch Impfungen erreicht„.

Allerdings versichert mir beinahe jeder mit dem ich hier spreche, dass er sich nicht impfen lassen möchte oder das zumindest vorläufig nicht vor hat. Beurteilt man die Impfwilligkeit allerdings nach den Eindrücken auf der Straße und in Geschäften, dann ergibt sich ein anderes Bild.


Akzeptanz der Maßnahmen

Schaut man sich die Menschen in Sibiu (Hermannstadt) an, so gibt es sehr viele Ältere, die auch auf offener Straße mit FFP2-Masken unterwegs sind. Ein fast ebenso großer Teil trägt die normalen Masken eher schlampig, teils unter der Nase oder noch tiefer. An den Eingängen zu Supermärkten wird fast durchgängig die Temperatur gemessen. Die Mindestabstände in den Supermärkten sind zwar vor den Kassen durch Linien am Boden markiert, aber es kümmert sich so gut wie niemand darum. In den Baumärkten, wo viele Handwerker unterwegs sind, sieht man jede Menge Menschen, die ihre Maske nasenfrei tragen. Das wird zwar hin und wieder von den Security-Mitarbeitern gerügt, aber ein Regal weiter schiebt man die Maske wieder in die bequemere Position. Bisher habe ich noch nie erlebt, dass ein Kunde einen anderen Kunden deswegen angesprochen hätte. Wer Angst vor Corona hat, handelt eigenverantwortlich und macht einen größeren Bogen und scheinbare „Gefährder“, aber pöbelt nicht herum.

Insgesamt hat habe ich den Eindruck, dass die Rumänen sich zwar weitgehend an die Maßnahmen halten, aber sich bei Bedarf auch einfach darüber hinwegsetzen. So war während der Quarantäne von Sibiu und einigen umliegenden Dörfern im Dezember die Zufahrt über kleinere Straßen z. B. nach Orlat mit Barrikaden versperrt und ich konnte beobachten, dass der eine oder andere Fahrer sie einfach kurz beiseite räumte. Es war auch möglich, sich im Internet ein Formular herunterladen und dort einen Banktermin anzugeben, um dann in Sibiu Einkaufen zu gehen. An den großen Zufahrtsstraßen gab es keine Absperrungen und es stand zwar Polizei, aber die kontrollierte nur stichprobenartig, ob man seine DECLARAȚIE PE PROPRIE RĂSPUNDERE auch dabei hatte.

https://www.gov.ro/fisiere/pagini_fisiere/0611_Model_Declaratie_proprie_Raspundere.pdf
DECLARAȚIE PE PROPRIE RĂSPUNDERE

Ein Bekannter erzählte mir, dass im April und Mai 2020 (ich konnte damals aufgrund der Corona-Einreisesperre nicht hierher) im Dorf jeden Tag pünktlich um 11:00 Uhr die Polizei einmal durchgefahren sei, um die nahezu völlige Ausgangssperre zu kontrollieren. Danach ging das Leben ganz normal weiter – bis zum nächsten Morgen 11:00 Uhr. Ich denke, das war eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen Bewohnern und der örtlichen Polizei. Die Herren wollten eben auch zukünftig noch im Ort leben und einkaufen können.


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