Ich wurde nach meinem letzten Beitrag -> „Deutsche Übersetzung der Rede von Victor Orbán in Băile Tuşnad“ mehrfach gefragt, wie denn die Reaktionen der Politiker und der Presse in Rumänien darauf waren. Nachdem die Rede inzwischen zu einem traditionellen Höhepunkt des Programms der Tusvanyos-Sommeruniversität1) geworden ist, hat deren Inhalt auch dieses Jahr entsprechend Aufmerksamkeit bei den in Rumänien lebenden Ungarn und natürlich in Ungarn selbst erregt.
Die Resonanz in der rumänischen Politik war eher gering und die Mainstream-Medien haben das Thema wie vermutlich politisch gewünscht, auf sehr kleiner Flamme gekocht. Insofern war es eher verwunderlich, dass libertatea.ro diese Rede in Rumänisch und Ungarisch veröffentlicht hat.
1) Eine Woche lang treten Musikgruppen aus Ungarn und der Region Siebenbürgen auf und in den Zelten auf dem Gelände finden Debatten zu verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen statt, die vor allem für die ungarische Minderheit in Rumänien von Interesse sind.
Voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten
Băile Tuşnad in der rumänischen Presse
Presse und Fernsehen sind in Rumänien (wie in den meisten Ländern Europas) extrem EU-freundlich und versuchen die gleichen Themen zu propagieren wie die West-Kollegen. Der Artikel von libertatea.ro zu diesem Thema beginnt mit dem Vorsatz:
Die Hauptaufgabe eines Journalisten besteht darin, zuzuhören, zu verstehen und zu berichten. Wenn wir berichten, spielt es keine Rolle, welche Meinung wir haben, ob wir Viktor Orbán mögen oder nicht.
Quelle: -> libertatea.ro
und wenige Sätze später landet man schon bei der globalen Erwärmung:
Es ist 10 Uhr und der Schatten des 1.300 Meter hohen Comloș Peak wird bereits von der Ungeduld der Sonne im Zeitalter der globalen Erwärmung überholt. Allerdings ist der Begriff „global“ hier nicht ganz so willkommen.
Quelle: -> libertatea.ro
Man täte man dem Autor allerdings Unrecht, wenn man nicht feststellte, dass er sich durchaus bemüht, die Ansichten der Ungarn in Rumänien korrekt dazustellen. 80% der ungarischen Minderheit in Rumänien haben bei der letzten Wahl für Fidesz gestimmt, aber das Zusammenleben mit den Rumänen scheint zu funktionieren oder wie es ein Jugendspieler ausdrückt: „Aber alles bleibt wie es ist, es gehört den Rumänen, wie es uns gehört!„.
Allerdings waren auch andere Schlagzeilen zu lesen, die den Globalisten wesentlich besser gefallen haben dürften:
Ungarischer Premierminister hielt eine Goebbels-würdige Rede
Quelle: -> ziare.com
Ungarns rechtsextremer Ministerpräsident Viktor Orbán wetterte am vergangenen Samstag in Băile Tușnad gegen die „Vermischung“ von europäischen und nichteuropäischen Rassen.
Aus der ganz untersten der subtilen Schubladen stammt dann das Folgende:
Anti-Drogen-Polizisten aus Târgu Mureș haben mehrere Strafanzeigen wegen Drogenbesitzes bei der Sommeruniversität und dem Studentenlager „Balvanyos“ in Băile Tușnad gestellt. Auch der ungarische Premierminister Viktor Orban war bei der Veranstaltung anwesend.
Quelle: -> rfi.ro
Nunja, hoffen wir, dass Orban nur die Rede gehalten und keine Drogen konsumiert oder gar verkauft hat.
Reaktionen rumänischer Politiker
Lediglich die UDMR (Uniunea Democrată Maghiară din România) als Partei der ungarischen Minderheiten versucht die von Victor Orbán aufgestachelte Entrüstung zu dämpfen. Der Vorsitzende Kelemen Hunor hält die Rede von Viktor Orbán in Băile Tușnad nicht für rassistisch oder putinfreundlich. Nach Ansicht des Präsidenten des RMDSZ muss jede Aussage im Kontext interpretiert werden.
Heutzutage ist es in Mode, jemanden als Faschisten oder Rassisten zu bezeichnen, der nicht unserer Meinung ist oder eine andere Meinung hat, ohne darüber nachzudenken. Ich kann in Platons Werken Sätze finden, die, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden, mit einem Schlag zeigen, wie rassistisch oder faschistisch Platon war. Wenn wir uns die gesamte Rede Orbans ansehen, können wir feststellen, dass es sich nicht um eine Rede handelte, die auf Rassismus oder Rassentheorie beruhte.
Quelle: -> romanialibera.ro
Der Europaabgeordnete Victor Ilie von der USR hält dagegen und schlägt vor, dass Ungarn aus der Europäischen Union ausgeschlossen wird. Pikant daran ist, das sowohl die USR als auch die UDMR derzeit mit an der Regierung sind.
Dass man an den Äußerungen Victor Orbáns nur sehr schwer fundierte Kritik über kann, lässt sich an einem Statement des PSD-Abgeordneten Patriciu Achimaș Cadariu aus Cluj gut erkennen. Er lässt die eigentliche Ursache, die kulturellen Unterschiede der Zuwanderer, einfach unter den Tisch fallen und konstatiert:
Es ist eine Höhlenpolitik, ein primitiver Nationalismus. Leider spricht niemand über den Fortschritt der Wissenschaft. Und die Wissenschaft brachte uns in den 2000er Jahren die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Das heißt, wir wissen in der Zelle ganz genau, wer wir sind und was wir sind. Und wir wissen, dass wir identisch sind. Wir wissen, dass wir, ob weiß, schwarz, dunkelhaarig, blauäugig, sommersprossig oder nicht, die gleiche Spezies sind, wir sind Menschen, wir unterscheiden uns in nichts. Genetische Analysen haben uns gezeigt, wie nah wir uns sind und dass wir Vorfahren aus der ganzen Welt haben. Es könnte sein, dass sich jenseits dieses Zauns ein Mensch aus Kleinasien befindet, der viele gemeinsame Gene mit Viktor Orban hat.
Quelle: -> romanialibera.ro
Als Entschuldigung für die Verkennung der Kernaussage Orbans sei angemerkt, dass Patriciu Achimaș Cadariu von Beruf Arzt ist und deswegen möglicherweise nur in genetischen Kategorien denken kann.
Von Seiten der PNL hat der Staatspräsident Klaus Iohannis ebenfalls die Rassismuskeule geschwungen:
Es ist falsch, es ist ein großer Fehler und es ist inakzeptabel, dass ein hoher europäischer Würdenträger auf der öffentlichen Bühne mit einer Rede auftritt, die auf der Rassentheorie aufbaut, die zur schrecklichsten Katastrophe des 20. Jahrhunderts führte. Ebenso bedauerlich ist es, dass ein europäischer Würdenträger mit einem antieuropäischen Diskurs auf die öffentliche Bühne tritt. […] Dass diese Szene in Transsylvanien spielt, ist für uns ein Problem.
Quelle: -> adevarul.ro
Sein Statement bezog sich offensichtlich auch auf die die Aussage „Wir – die Ungarn – sind keine gemischte Rasse … und wir wollen auch keine gemischte Rasse werden“, denn Länder, in denen sich „Europäer und Nichteuropäer vermischen“, wären keine Nationen mehr. Alle weiteren Aspekte der Rede lässt auch er außen vor.
Argumentativ war also in den Verlautbarungen der Politiker wenig bis nichts zu hören. Zudem haben sich auch erstaunlich wenige Politiker öffentlich zu Orbáns Rede geäußert.
Reaktionen der EU
Dass die Ansichten Victor Orbáns in der EU nicht gut ankommen, war vorherzusehen. Schließlich hat er in seiner Rede kein Blatt vor den Mund genommen und die wunden Punkte Migration, Energie, Gesellschaft bzw. LGBTQ, Krieg und Sanktionen aus ungarischer Sicht schonungslos analysiert. Wie zu erwarten werden daher auch von Seiten der EU nur der übliche Kampfbegriff „Rassismus“ ins Feld geführt. Die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament verurteilen die jüngsten Äußerungen von Ministerpräsident Orbán „aufs Schärfste“. Die Fraktionsvorsitzenden des EP erklärten:
Solche Äußerungen sind inakzeptabel, Rassismus und Diskriminierung in jeder Form müssen unmissverständlich verurteilt und auf allen Ebenen wirksam bekämpft werden. Wir bedauern auch zutiefst, dass Ministerpräsident Orban diese unverzeihlichen Äußerungen bei anderen Gelegenheiten beharrlich verteidigt hat. Die Tatsache, dass Victor Orban nicht will, dass die Europäer zu den ‚gemischtrassigen Völkern‘ gehören, ist eindeutig ein Verstoß gegen unsere Werte, wie sie in den Verträgen der Union festgelegt sind, und solche Aussagen haben in unseren Gesellschaften keinen Platz.
Quelle: rfi.ro
Ansonsten hält man auch bei der EU das Thema lieber ganz klein und im deutschen Mainstream war zu diesem Thema so gut wie nichts zu finden. Vermutlich will man nicht zu viele Menschen mit der Nase auf die präzise Benennung der aktuellen Probleme und den daraus folgenden kohärenten Schlussfolgerungen stoßen.
So gesehen gibt es also im Westen (oder wie Orban sagen würde im „Post-Westen“) nichts Neues.
Danke für die promte Ergänzung des vorherigen Beitrags – so ähnlich war es ja wohl auch zu erwarten. Leider scheint es in RO keine hineichenden Stimmen in den Medien zu geben, die mal eine Gegenposition, sprich EU-kritisch, einnehmen.
Hier als Ergänzung von mir noch ein Link zum Thema:
https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/viktor-orban-im-interview-der-westen-ist-in-den-osten-umgezogen/
Und da steht u.a. sinngemäß das, was ich schon seit 2017 sage und was der Grund für unsere Auswanderung ist:
Der Osten wird der der neue Westen – vielleicht nicht materiell, aber es wird die letzte Oase für Menschen wie mich, denen neben materiellen Wohlstand vor allem kulturelle Werte wichtig sind.