Corona in Rumänien – Der unbeliebte Schuss

Erste Proteste in Rumänien gegen die Corona-Massnahmen

Der Druck in den Medien ist auch in Rumänien enorm, sich den „Schuss“ setzen zu lassen. Täglich werden zur Zeit wieder neue Höchstzahlen an „neu Infizierten“ – also positiv Getesteten – vermeldet. 6.000 pro Tag, dann 8.000 und da werden für Oktober bereits -> 100.000 pro Woche prophezeit. Wie man eine Positivrate von 18% (8.600 Positive bei 46.000 Tests) produziert, bleibt ein Geheimnis der rumänischen Lauterbachs. Die ATI-Betten (Intensivbetten) sind in Bukarest schon alle belegt, auch wenn man nicht weiß von wem und wie viele Betten es überhaupt gibt. Ab sechs positiven Tests pro 1.000 Einwohner gilt wieder Maskenpflicht im Freien und nächtliche Ausgangssperren werden angekündigt.


Die „Impfung“ stockt

Die Rumänen bleiben größtenteils entspannt. Während des Sommers war die Hitze für viele eine willkommene Ausrede, auf die Maskerade ganz zu verzichten. Jetzt wo es kühler wird, trägt man den Maulkorb oft unter der Nase oder gleich unter dem Kinn. Auch das Impfen will nicht mehr so recht vorankommen. Am 4. Oktober 2012 haben knapp 30 Prozent den ersten „Schuss“ bekommen und 28,3% waren vollständig geimpft. Wobei „vollständig“ hier im Moment noch den zweiten Schuss meint, denn die „Booster-Impfung“ wird als Seelenheil für den Winter bereits angepriesen. Der Erfolg ist zweifelhaft, denn viele Impfzentren mussten mangels Nachfrage bereits geschlossen werden und eine Million Dosen der Genspritze wurde ins Ausland verschenkt, bevor das Haltbarkeitsdatum ablief.

Impffortschritt Rumänien
Impffortschritt Rumänien

Leichte Veränderung in den Medien

Neu ist, dass hin und wieder in Medien kurze Geschichten auftauchen, die so gar nicht dem sonst üblichen Droh- und Panikmodus nacheifern.

Ich gehe in den Supermarkt. Die Menschen stehen geduldig in der Schlange, mit Masken im Gesicht. Irgendwann betritt ein massiger Mann den Laden, eine Hand in der Tasche seiner Jogginghose. Keine Maske. Ein Angestellter bittet ihn höflich, eine Maske aufzusetzen. Der Mann antwortet in einem fast befehlenden Ton: „Gib mir eine Maske!“. Die Frau willigt ein und öffnet eine Kasse speziell für den Mann im Trainingsanzug, der sich so das Anstehen erspart. Er nutzt die Gelegenheit, um eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Er bezahlt und verlässt die Tür mit der gleichen Leichtigkeit, mit der er hereingekommen ist, ohne sich eine Maske über Mund und Nase zu ziehen. Die anderen Kunden des Ladens, die ihre Masken ordnungsgemäß aufgesetzt haben, beobachten die ganze Szene mit Erstaunen. Der Mann nahm also auch seine Zigaretten mit, stellte sich nicht in die Schlange und trug auch keine Maske.

Derselbe Supermarkt, ein anderer Tag. Als ich an der Reihe bin, an der Kasse zu bezahlen, betritt ein Mann ohne Maske unter den wachsamen Augen des Sicherheitsbeamten den Laden. Ich lenke die Aufmerksamkeit der Wache auf mich. Er erzählt mir mit einem dümmlichen Lächeln, dass der Herr nur gekommen ist, um seiner Frau zu helfen, die Produkte in die Tüten zu packen, dass die Dame einen Gips an der Hand hat! Ich sage: „Kann er nicht eine Maske aufsetzen und ihr dann helfen?“. Der Wachmann antwortet in einem Tonfall, der mir versichern soll, dass alles in Ordnung ist: „Nein, ich kenne den Herrn“. Wenn er ihn also kennt, bedeutet das, dass der Mann den Laden ohne Maske betreten kann… Daraufhin ernte ich bedrohliche Blicke von dem maskenlosen Ehemann und einige Flüche von der „Dame“ mit der eingegipsten Hand: „Lass ihn in Ruhe, siehst du nicht, dass er dumm ist?“.

Das stimmt, das bin ich. Der Narr mit der Maske…

Quelle: RFI

Aber auch die Narren mit korrekt angelegter Maske werden weder schief angeschaut, noch lächerlich gemacht. Eine gute Einstellung, denn jemanden der Angst hat, den kann man mit Argumenten nicht überzeugen. Einem von Höhenangst Geplagten wird man mit dem Argument, die Balustrade sei vom TÜV abgenommen und hätte überdies ihren Dienst seit hunderten von Jahren treu verrichtet, nicht bewegen können vom Ulmer Münster in die Tiefe zu schauen. Demjenigen hilft dann halt nur noch der „Schuss“.


Trotz Angstpropaganda sind die Menschen entspannt

So wenig wie man gegen die Angst ankommt, so schwer ist es Vertrauen zu gewinnen. Allgemein ist in Rumänien dieses Vertrauen in den Staat und insbesondere in die Politiker alles andere als hoch. Auf Politiker angesprochen fällt oft das Wort „Bandit“ oder auch „Mafia“. Andererseits arrangiert man sich mit staatlichen Vorschriften – notfalls mit Korruption. Da der Gen-Schuss wesentliche Erleichterungen bietet, wie etwa bei häufigen beruflichen Auslandsreisen oder wenn man als Mitarbeiter im Gesundheitsbereich unter Druck steht, liegt es nahe, dass der Arzt den Schuss für ein Entgelt einfach in den Abfluss spritzt. Laut Valeriu Gheorghita, dem Koordinator des nationalen Impfprogramms, liegt der Preis dafür derzeit bei 100 Euro. Gegen knapp 400 „Geimpfte“ und deren Ärzte soll derzeit ermittelt werden, aber das ist ganz sicher nur eine Spitze des Eisbergs.


Am Wochenende kam es in Bukarest zu Protesten von über 10.000 Impfgegner, die von AUR, einer Partei vergleichbar mit der AfD, organisiert wurden. Dabei wurde eine Flagge mit zwei Judensternen gezeigt, wovon eine Stern mit „Jude“ und der andere mit „nevaccinat“ (ungeimpft) beschriftet waren. Der Senator Claudiu Târziu von AUR hat sich davon sofort distanziert, da auch Rumänien aufgrund etlicher Massaker an Juden während des zweiten Weltkriegs unter einem Holocaust-Syndrom leidet.
Der Versuch der Ausgrenzung Ungeimpfter macht aber aufgrund deren schierer Zahl keinen Sinn, sondern ruft im Gegenteil weitere Empörung hervor. Schon jetzt sind 80,9 % der Rumänen laut einer aktuellen Umfrage der Meinung, dass sich die Dinge in Rumänien in die falsche Richtung entwickeln. Im Juni waren das noch 68,1 %.


Premier Cîțu abgewählt

Sie haben gesagt, dass 70% der Bevölkerung, die nicht geimpft ist, dumm ist. Sie sind der Premierminister eines Landes von Narren, von denen Sie der erste sind, Herr Cîțu!

Diana Sosoaca, AUR

Politisch ist das Land seit gestern (5.10.2021) wieder einmal ohne Regierung. Die von den Parteien gebildete Regierungskoalition aus PNL (Partidul Național Liberal, dt. Nationalliberale Partei), USR (Uniunea Salvați România, dt. Rettet Rumänien Union) und der Splitterpartei UDMR (Uniunea Democrată Maghiară din România, dt. Demokratische Allianz der Ungarn in Rumänien) wurde nach einem Misstrauensantrag der PSD, USR, UDMR und AUR einstimmig abgewählt. Streitpunkte in der Regierung waren die Gesundheitskrise (Corona), die dadurch mit verursachte Wirtschaftskrise mit steigenden Energiepreisen und insbesondere die 29 Milliarden aus dem EU-Wiederaufbau-Fond PNRR. Die EU bindet diesen Betrag an eine „gute Regierung, eine kompetente und funktionierende Regierung“, also an eine europafreundliche Regierung. Insgesamt sind in allen Kohäsionsfonds 80 Milliarden für Rumänien vorgesehen. Dem Druck durch die EU steht allerdings ein enormer Druck aus der Bevölkerung aufgrund der steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten und der Ablehnung der aktuellen Corona-Politik gegenüber, der sich bei möglichen Neuwahlen in einem erneuten Aufschwung der PSD (Partidul Social Democrat, dt. Sozialdemokratische Partei) und insbesondere der AUR niederschlagen könnte.

Am 19. September 2021 boten die Umfragen folgendes Bild:

ParteiWähleranteilGewinn/Verlust
PSD34,9+6
PNL21,2-4
USR12,4-3
UDMR5,2-0,5
ALDE1,70
PMP4,2-0,6
AUR13,9+4,8
PRO2,8-1,3

Die Zahlen beziehen sich auf die Veränderungen im Vergleich zur letzten Wahl am 06.12.2020 (Quelle: PolitPro)

Allerdings ist eine Minderheitsregierung oder auch ein erneutes Bündnis unter Führung der PNL denkbar, womit die Verhältnisse im Land politisch weiterhin unstabil blieben. Der abgewählte Premier Cîțu hat auch lediglich drei Monate überstanden.


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