Wie in meinem letzten Beitrag über -> Rumänische Nachbarn und andere Anekdoten berichte ich hier wieder über Eindrücke aus meiner neuen Wahlheimat. Dass ich kein echter Aussteiger bin, kann man an meinen Beiträgen zum Hauskauf in Rumänien -> hier und -> hier erahnen bzw. herauslesen. Trotzdem fasziniert mich neben der Kultur des Landes vor allem der bescheidene und gelassene Lebenstil auf dem Land. Die Menschen arbeiten viel und haben doch immer Zeit für ein Schwätzchen.
Ganz anders ist das in den rumänischen Städten, in denen Marktkauf, Lidl, Penny und Hornbach bereits Einzug gehalten haben, in denen Kommerz, Karriereplanung und Zeitmanagement das tägliche Leben bestimmen. Aber zu meinem Glück ist Rumänien auf dem Land ganz anders!
Diesmal geht es um das enorme Wachstum von Unkraut, die viel beklagte Korruption, Trinkwasserversorgung und die gemeindlichen Ankündigungen für Straßenbaumaßnahmen.
Bleib nie zu lange weg!
Zu Ostern war ich das letzte Mal hier und hatte den gesamten Garten gemäht und schon mal einige Beete angelegt. Bereits vier Wochen später verhiessen die Bilder der Webcams nichts Gutes: Gras scheint in Rumänien wesentlich schneller zu wachsen, als ich das von Deutschland gewohnt bin. Nach 11 Wochen waren die Bilder bereits so schreckenderregend, dass ich für eine Woche nach Siebenbürgen flog. Auf den Cams sieht man nur die Umgebung des Hauses, aber nicht das dahinter liegende sogenannte „Ackerland“ und als ich dort ankam, war mein mühvoll umgegrabenes und aufs reinlichste gegraste Beet komplett verschwunden. Die archaischen Unkräuter hatten in 11 Wochen über zwei Meter Höhe geschafft, grüßten zwar mit vielen Blüten, mussten aber dann mit Motorsense und Gartenschere meiner deutschen Einstellung zum Garten weichen.
Deshalb werde ich nun öfter und länger im neuen Zuhause sein, bevor ich im kommenden Jahr dauerhaft umsiedle.
Korruption
Wie oft habe ich von nach Deutschland ausgewanderten Rumänen gehört, dass mit ein Grund für die Übersiedlung die Korruption in Rumänien gewesen sei. Auch innerhalb Rumäniens hört man dieses Argument nur allzu oft und auch die EU schlägt gerne kräftig in diese Kerbe. Im Jahr 2017 lag Rumänien auf Platz 59 des Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International, also am Ende der ersten Drittels der Liste.
Dass Ärzte gegen manchmal nur gegen ein kleines Aufgeld behandeln, ist wohl dem eher kargen Verdienst von rund 500 € (Stand 2017) geschuldet und harmlos im Vergleich zu den oft sinnlosen IGEL-Produkten, die von gut verdienenden deutschen Doktoren an den arglosen Patienten gebracht werden. Ein viel kritisierter Bereich ist laut Wikipedia auch der Verkauf von Lizenz-, Abschluss- oder Diplomarbeiten an Universitäten, aber auch hier sollten wir uns als Deutsche zurückhalten, wenn man an die vielen Plagiatsarbeiten unserer Politiker denkt.
Korruption findet tatsächlich in großem Umfang statt, aber sie betrifft den Normalbürger nur in geringem Ausmaß direkt. Im wirtschaftlichen Sektor beim Mittelstand, aber mehr noch bei Konzernen und bei -> bestimmten Politikern wird Korruption wohl im großen Stil betrieben. Dazu sei nur die inzwischen bekannt gewordene Abholzung der Karpatenwälder erwähnt, wobei diejenigen, die die Politiker mit Geld „überreden“ oft aus dem Ausland kommen. Bei -> addendum.org wurde das sehr ausführlich dokumentiert. Auch bei Baugenehmigungen und der Auftragsvergabe für größere Projekte geht es nicht immer mit rechten Dingen zu.
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass ich in Rumänien bisher noch nie Korruption selbst erlebt habe. Es gibt sie ganz sicher und im kleinen Rahmen gehört sie wohl auch zur rumänischen Kultur, aber vermutlich seltener als allgemein angenommen. Von den „normalen“ Menschen auf dem Land wird man jedenfalls weniger oft über’s Ohr gehauen als in Deutschland.
Wozu kaufen, wenn das die Natur schenkt?
Zwischen Săliște und Vale liegt etwas abseits der Straße eine Art Pavillon, vor dem ein Sammelbehälter für Plastik steht. Hier stehen tagsüber und auch spät abends immer mehr oder weniger viele Autos, Pferdefuhrwerke, Traktoren und Menschen herum. Da es keine Beschilderung gibt, die den Zweck dieses Treffpunkts erklären würde, ging ich von einer Art Wertstoffhof oder einem Treffpunkt für ein eher zweifelhaftes Gewerbe aus. Weit gefehlt!
Des Rätsels Lösung ist eine Quelle, von der viele der Einwohner von Săliște und Vale ihr Trinkwasser holen und sogar Einwohner von Sibiu machen sich auf den Weg, um in butoane (eigentlich Flaschen, hier aber gebrauchte große Plastikbehälter) 10, 20 oder 50 Liter von diesem Wasser zu holen. Diese Quelle ist der „Guten Frau“, also Maria gewidmet und liefert Wasser einer analytisch, regelmässig bestätigten Qualität erster Güte. Gekühlt im Keller ist das Wasser über Wochen haltbar.
Wasserqualität in Rumänien
In den letzten Jahren hat sich die Leitungswasserqualität in Rumänien zwar verbessert, aber entgegen den Angaben z.B. -> hier rate ich dringend davon ab, auf dem Land Wasser direkt aus der Leitung zu trinken. Auch wenn Wasser bei einer chemisch-biologischen Untersuchung als unbedenklich eingestuft wurde, ist das keine Garantie, dass das so bleibt. Das gilt vor allem in ländlichen Gebieten! Dort sollte man das Wasser zumindest abkochen. Duschen und Mundspülen nach dem Zähneputzen ist dagegen auch mit Leitungswasser kein Problem.
Aveți răbdare – Habe Geduld!
Die meisten Rumänen erlebe ich als sehr geduldige Menschen, die kein Problem damit haben, wenn etwas länger dauert, der Bus Verspätung hat, die Müllabfuhr nicht pünktlich kommt oder mal die Wasserversorgung oder der Strom für ein paar Stunden ausfällt. Das alles kommt nicht so oft vor, sorgt aber für keinerlei Erregung und wird schon einen triftigen Grund haben. Nur beim Autofahren haben es die meisten Rumänen extrem eilig. Von Gelassenheit keine Spur! Als Ausländer halte ich mich peinlich genau an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, werde aber dauernd flott überholt.
Deshalb ist es ein Glück, dass die Dorfstraße Dealul Opriş in Vale in einem erbärmlichen Zustandist. Sie hat riesige Löcher und in der Mitte stürzt sich bei Regen ein rauschender Bach bis zur Straße 106E hinunter. Das hat aber auch durchaus seine Vorteile: Es ist ruhig! Es gibt so gut wie keinen Verkehr auf der Straße und Unfälle aufgrund überhöhter Geschwindigkeit sind ausgeschlossen. Der Straßenzustand ist vielleicht mit einer der Gründe, warum die immer in Eile lebenden Menschen hier selten zu finden sind. Die wenigen noch verblieben Jungen wissen das ebenso zu schätzen, wie die vielen Alten, die in aller Seelenruhe zum Dorfladen hinabsteigen oder mit dem Pferdefuhrwerk ihre Ration Trinkwasser für die Woche an der Quelle holen.
Zwar wurde die neue Kanalisation (derzeit hat jedes Haus eine Sickergrube) und der Straßenausbau für den Sommer im Gemeindeblatt angekündigt, aber als ich mich im Dorf umhörte, wie denn der aktuelle Status sei, war die Gegenfrage, ob denn auch das Jahr angegeben worden wäre. Nein, war es nicht…
„We are latin people!“ hat mein Hausverkäufer gesagt und tatsächlich sehen es die meisten Einwohner sehr entspannt. Die wichtigen Dinge sind ja da: 300 Mb/s Glasfaser ins Haus für 17 Lei pro Monat (3,60 €), für deutsche Verhältnisse äußerst günstiges Gas für Heizung und Warmwasser, Strom- und Wasseranschluss und für 10 Lei kann man mobil für 200 Minuten europaweit telefonieren. Außerdem gibt es einen kleinen Dorfladen für und das angenehme Klima am Rande der Karpaten gibt’s gratis obendrauf.
Rumänien ist auf dem Land halt doch ganz anders.
Beiträge zum Thema Auswandern:
-> Auswandern nach Rumänien – Vorbereitungen
-> Der Hauskauf in Rumänien
-> Bankkonto eröffnen und Verträge übernehmen
Vielleicht auch interessant:
-> Rumänische Nachbarn und andere Anekdoten
-> München – Hermannstadt (Sibiu) mit dem Auto
Ja, man merkt bereits den rumänischen Einfluss an der S-Schreibung…